Worte

Eine kleine Wortauswahl. 
Gold (12.1992)
Wie schön wär’s Gold zu sein,
glänzend, kostbar, herrlich rein.
Am Hals von schönen Frauen schmiegend,
beschützt auf weichen Kissen liegend.
Begehrt, verehrt, Symbol der Treue,
besitzt zu werden ohne Reue.
Was ist schon sterblich Fleisch und Blut,
was bleibt, ein Kreuz, der Satz: Hier ruht.
Wie schön wär’s Gold zu sein,
glänzend, kostbar und doch nur Schein.  
Der Herbst (1992)
Über Nacht kam er, der Herbst.
Buntgefärbt vom Baum die Blätter,
von der gestrig Blumenpracht blieb nur ein Rest.
Gestochen klar, weit in der Ferne,
zuoberst schon von Schnee bedeckt,
ruhen kühl die hohen Berge.
Nur selten noch hastvolles Treiben,
die Zeit scheint ruhiger zu gehen.
Der Herbst ist da.
S’ist Zeit, ein wenig auszuruhn.
Das Begräbnis  (Jan. 1996)
Kirchenglocken schlagen traurig, schwer
zu des Toten letztem Gang.
Der Trauerzug zieht hinten her,
die Augen blicken starr und bang.

Steif und kalt liegt er im Sarge,
die ihn mochten weinen leis,
lebend hiess er nur: der Karge,
tot nun lieben sie ihn heiss.

Freund nannte er zeitlebens keinen.
Doch jetzt drängeln sie sich vor,
schluchzen, trauern um den einen,
der verliess das Leben durch des Todes Tor.

Nun stehen sie an seinem Grabe,
der Pfarrer spricht in sanftem Ton.
Die Rose fällt als letzte Gabe,
der Karge ruht in seinem Thron.

Später spricht der Pfarrer weise,
von des Toten Lebenslauf,
predigt kühn von letzter Reise,
die uns führt zu Gott hinauf.

Draussen dann noch schnell gesprochen,
zu der armen Witwenfrau.
Brauche sie Hilfe, die sei versprochen
und frei wärst jetzt, denkt einer sich noch schlau.

In den „Bären“ noch zum Trank,
beschmücken sie des Toten Taten
und ja, die Witwe ist adrett und schlank.
Und noch ein Bier darauf, um weiter zu beraten.

So zieht das Leben trotzig weiter,
den Tod begruben sie gleich mit.
Die Stimmung ändert und wird heiter,
vorbei die Angst vorm eignen Todesritt.
Stierkampf (1992)
Die Augen voller Schmerz, die starke Brust 
durchbohrt von dünnem, kaltem Stahl.
Der einst so kraftvolle Körper liegt sterbend da.

Unkontrolliertes Zucken, Schaum vor dem Maul,
geschunden, gequält. Verdammt, vor gaffendem, kreischendem, nach Blut lechzendem Publikum zu verrecken. Noch einmal bäumt sich der Körper auf.

Ein letztes Röcheln - endlich der erlösende Tod.
Nachtgedicht (1996)
Während der Nacht scheint die Sonne nicht mehr.
Jedoch schläft sie nicht.
Sie glüht munter weiter auf der anderen Seite.
Darum aufgewacht!
Tanzt und singt die ganze Nacht,
dichtet und malt, lacht und liebt,
stehlt der Dunkelheit ihre triste Macht.
Sonnenuntergang (1996)
Fern am Rande der Welt.
Das Meer frass den glühenden Sonnenball.
Der Tag starb leise, wurde fahl im Gesicht.
Schwarze Nachtboten ermordeten die Farben.
Ihnen entging nichts!
Selbst deine roten Lippen wurden grau.
Am Rande der blutrotgetränkten Welt
standen wir, zu Schatten werdend.
Schemenhaft gingst du fort.
Mein Herz brannte lichterloh.
Die Sonne ertrank im Meer.
Der Brief (03.1996)
Der Postmann brachte die Post mir vorbei.
Ich grüsste ihn freundlich und freute mich sehr,
denn glücklich sah ich ein Brieflein dabei.
Ein Brieflein für mich, von wo kommt's wohl her?

Ich legte das Brieflein verkehrt auf den Tisch,
sortierte die Werbung und denk plötzlich: Mist!
Was, wenn das Brieflein nichts als ein Wisch?
Ich setzte mich hin und ersann eine List.

Ich malte mit Farbe ein Herzchen darauf,
so sah dieses Brieflein gleich noch schöner aus.
Ich zögerte kurz, dann gab ich es auf,
ich kehrte das Brieflein, da kam mir der Graus.

Das Steuerlein war’s, was der Postmann mir brachte! Nun schluckte ich leer und und ärgerte mich sehr. 
Schneeflocke (01.2017)
Eine Schneeflocke schwebt herunter, gut gezielt, landet sie auf einem Ast.
Eine zweite folgt und wählt denselben Ast zur Rast.
Eine dritte, vierte, fünfte und noch viele mehr,
schweben munter, sanft herunter.

Der Ast, ein alter, steif gefrorener, kalter,
ächzt und knackst.
Munter schweben weiter Flocken leis herunter,
landen auf demselben Ast,
bis er bricht unter seiner schweren Last.

Die Moral: Wenn zuviele nur das Eine wollen, bricht das Eine unter all der Last. 
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Rosa das Meerschweinchen lebte inmitten seiner Geschwister in einem liebevoll gestalteten Gehege. Dort gab es hohes Gras, Äste und Steine, wo sie sich gut verstecken konnten. So gut und dies zum Leidwesen von Rosa, dass Verstecken ihr liebstes Spiel war. Vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahl vergnügten die Meerschweinchen sich damit, sich voreinander zu verstecken. Wer die anderen suchen musste, das war auch klar. Rosa! Ihr auffälliges Fell leuchtete durch jede noch so kleine Ritze und selbst durch Blätter schimmerte ihr rosafarbenes Fell. Den Geschwistern zuliebe spielte Rosa mit und fand sich damit ab, dass sie sich nicht vor den anderen verstecken konnte.

Eines Tages vergass der Junge, der sie morgens vor der Schule versorgte, das Türchen fest zu schliessen. Der Bus brummte bereits an der Haltestelle und der Junge musste diesen unbedingt erwischen, weil er sonst zu spät zur Schule kam. Die Meerschweinchen kümmerte dies nicht, gleich nach dem Essen spielten sie ihr liebstes Spiel. Anfänglich war es wie jeden Tage, bis plötzlich ein Fuchs im Gehege stand. Blitzschnell packte er Florian, den ungekrönten  Versteckmeister, am Nacken und wollte schnell mit seiner Beute davonstürmen. Da fiel sein Blick auf Rosa. „Was bist du denn?“, fragte der Fuchs verblüfft. Florian plumpste aus dem Maul und blieb, starr vor Angst, auf dem Boden liegen. Rosa dachte nicht an Flucht. Wozu auch, der Fuchs würde sie eh finden. „Ich bin Rosa“, entgegnete sie leise. „Das sehe ich“, antwortete der irritierte Fuchs. Er näherte sich Rosa und beschnupperte sie. Er roch Angst. Aber sie schien ihm nicht so gross, wie die der anderen. „Warum hast du weniger Angst?“, fragte er misstrauisch. Rosa nahm ihren Mut zusammen und sagte: „Weil du bereuen wirst, wenn du mich frisst“. „Ach ja - und warum?“, fragte der Fuchs spöttisch. „Weil du dann auch rosa wirst und dich nicht mehr vor dem Jäger verstecken kannst“.

Mit dieser Antwort hatte der Fuchs nicht gerechnet. Er war sich gewohnt der Jäger oder der Gejagte zu sein. Das rosa „Ding“ verhielt sich ungewohnt. Was, wenn es so wäre und er rosa würde, fragte er sich verunsichert? Aber Füchse sind schlau!

„Dann fresse ich die anderen und dich lasse ich zurück“. Rosa stockte das Herz. Sie wusste, dass von ihrer Antwort alles abhing. „Ich war nicht immer rosa. Bei den anderen ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich verfärben. Du wirst bloss später als rosa Fuchs enden, wenn du meine Geschwister frisst“. Der Jagdtrieb im Fuchs wich dem Instinkt des Gejagten. Er stand schon zu lange in diesem Gehege. Herauszufinden, ob das rosa „Ding“ recht hatte oder nicht, schien ihm zu wenig lohnend. Er knurrte Rosa, mit einer Mischung aus Verwunderung und wohl auch ein wenig Bewunderung an und gehorchte seinem Instinkt, sich nicht in Gefahr zu bringen. Er flitzte aus dem Gehege in Richtung Wald. Das Glück wollte es, dass er mit dem Sprung vom Gehege auch gleich das Türchen schloss.

Als sich die Meerschweinchen beruhigt hatten und zögerlich ihre Verstecke verliessen, bildeten sie einen Kreis um Rosa und beschnupperten sie zärtlich. Seit diesem Tag ist Rosa glücklich damit, jene zu sein, welche die anderen sucht. Weil sie seitdem weiss, dass es für sie keinen Grund gibt, sich zu verstecken.